FRED HAGENEDERS PORTAL ZUR BEDEUTUNG DER BÄUME IN KULTUR UND BEWUSSTSEIN

THE MEANING OF TREES
Monsoon rainforest in Malaysia/Thailand. © Edward Parker
Monsun-Regenwald in Malaysia/Thailand. © Edward Parker

Die wahre Bedeutung der Regenwälder

Im August 2006 erschien ein bemerkenswerter Artikel in Hydrology and Earth System Science, dem Journal der European Geosciences Union. Darin beschreiben die Autoren A. M. Makarieva und V. G. Gorshkov neue Erkenntnisse über den Einfluss der Wälder der Erde auf das Klima. [1] 
Hier ist eine Zusammenfassung ihres Artikels, mit ausführlichen Zitaten (Übersetzung sowie fette und kursive Hervorhebungen von mir).

Zu Beginn analysieren Makarieva und Gorshkov die grundlegenden geophysikalischen und ökologischen Prinzipien, die es den Landmassen der Erde erlauben, feucht zu bleiben, so dass biologisches Leben an Land weiterhin möglich ist.

1. „Unter dem Einfluss der Schwerkraft verliert das Land sein Wasser unweigerlich an die Meere. Um das Land feucht zu halten, muss der Abfluss des Wassers kontinuierlich ausgeglichen werden durch den atmosphärischen Meer-zum-Land-Transport“ (besser bekannt als Niederschlag, oder, noch gewöhnlicher, Regen). Aber Wolken regnen sich ab und sind nach einer gewissen Zeit erschöpft – bzw. nach einer gewissen Distanz, die vom Wind abhängig ist. „Die durchschnittliche Entfernung, über die der passive geophysikalische Luftstrom über nicht bewaldeten Gebieten Feuchtigkeit transportieren kann, ist nicht größer als einige Hundert Kilometer – der Niederschlag nimmt exponentiell mit der Entfernung zum Meer ab.“

2. „Im Gegensatz dazu ist der Niederschlag über ausgedehnten Urwäldern über einige Tausend Kilometer nicht abhängig von der Entfernung zum Meer“, wie man an den Flussläufen des Amazonas und des Jenissei in Sibirien sowie im äquatorialen Afrika sehen kann. Dies kann nicht mit reiner Geophysik erklärt werden; es „deutet auf die Existenz einer aktiven biotischen Pumpe, die Feuchtigkeit vom Ozean landeinwärts bringt.“

3. Das bisher übersehene Glied in der Kette, die Kraft, die Feuchtigkeit über riesige Entfernungen landeinwärts trägt, ist der Wald. Enorme Mengen Wasserdampf steigen von den Wäldern auf und bilden Nebel und Wolken. Auflandige Winde schieben die Wolken weiter ins Landesinnere, wo sie sich abregnen: „Aufgrund ihres hohen Blattflächenindexes haben Urwälder eine sehr hohe Verdunstungsrate, die das Aufsteigen von Luftmassen über dem Wald fördert und weitere feuchte Luft vom Meer her ‚ansaugen‘. Dies ist die Essenz der biotischen Luftfeuchtigkeits-Pumpe.“
Das Ergebnis ist, dass der gravitationsbedingte Wasserverlust der Kontinente (der Abfließen über die Flüsse) „durch die biologisch verstärkten Niederschlag vollständig kompensiert werden kann – in jeglicher Entfernung vom Meer“.

 

photo of extensive woodlands along the Yenisey river in Siberia. © Verhovya Eniseya
Bewaldete Ufer des Jenissei in Sibirien. © Verhovya Eniseya

Die Macht der Blätter

Alle Arten von Wald haben einen höheren „Blattflächenindex“ als andere Ökosysteme (z.B. Buschland, Steppe). Der höchste Blattflächenindex findet sich im tropischen Regenwald mit seinem sog. Stockwerkaufbau in vier Schichten: 

• die Baumriesen (mit 45–55 m Höhe, manche Arten sogar 70–80 m), die über die generelle Kronenschicht hinausragen;

• die Kronenschicht (meist 30–45 m hoch), die ein immergrünes Dach über den zwei unteren Schichten bildet; 

• die Strauchschicht mit ihren schattentoleranten Sträuchern und kleinen Bäumen sowie Lianen;

• die Krautschicht, deren Moose, Farne und andere Bodendecker die letzten Sonnenstrahlen aufsaugen, die bis dorthin durchgedrungen sind.

Der stärkste Einfall von Sonnenenergie auf die Erdoberfläche ereignet sich am Äquator. Dort beträgt er bis zu über 300 Watt pro Quadratmeter (siehe Karte). Intakter tropischer Regenwald absorbiert drei Viertel dieser Energiemenge (75 %), das entspricht 560 Kalorien pro Gramm von Pflanzen aufgenommenen Wassers. Das bedeutet, dass die von der Vegetation verarbeitete Energiemenge des Amazonasbeckens (sieben Millionen Quadratkilometer) der Energie entspricht, die fünfzehn Bomben des Hiroshima-Typs (15 Kilotonnen) freisetzen würden – in jeder Sekunde, Tag und Nacht, das ganze Jahr über. Diese unvorstellbare Energiemenge wird dazu benutzt, Wasser aus dem Boden zu pumpen und es in den Wassertransportkanälen der Bäume und Pflanzen nach oben zu transportieren, wo es schließlich durch die Myriaden kleiner Blattporen an die Luft abgegeben wird. Dies wird Evapotranspiration genannt. Dadurch bildet der südamerikanische Regenwald etwa doppelt so viel Wasserdampf wie der benachbarte Atlantik! Da dieser Wasserdampf in höhere Luftschichten aufsteigt, werden neue Luftmassen vom Meer angesaugt. Sie bringen weitere Feuchtigkeit zur Landmasse, und dadurch wiederum Regen.

Image of worldwide distribution of solar energy influx (Wikimedia Commons)
Weltweite Intensität der Einstrahlung von Sonnenenergie (Wikimedia Commons)

Wasser, das über dem Amazonas-Regenwald als Regen fällt, verdampft alsbald wieder durch die Blätter und bildet erneut Wolken. Die Äquatorialwinde bewegen diese Wolken nach Westen, wodurch sie Feuchtigkeit weiter ins Landesinnere bringen, nun weiter entfernt vom Meer. Über die 4.000 km des Amazonasbeckens wird der Regen fünf- bis sechsmal „recycelt“. Dadurch regnet es im fernen Westen (an den Hängen der Anden) genauso viel wie in Meeresnähe im Osten des Kontinents. [2]

So erschafft der Amazonas-Regenwald seinen eigenen Regen und sein eigenes Klima. Und die Winde und Ozeanströmungen tragen günstige Einflüsse auch weit über die Region hinaus: Der Regenwald des Amazonasbeckens stützt die Regenfälle in der Kornkammer der USA als auch den Golfstrom, der Europa das milde Klima verleiht.

Ein ähnliches „Powerhouse“ ist der Kongo, wo „jeder Hektar Regenwald fast 190.000 Liter Wasser pro Jahr hervorbringt“. [3] Der boreale Nadelwald im Norden (Kanada, Sibirien, Russland) ist genauso bedeutend, obwohl er in einem anderen und viel kühleren Klima arbeitet. Er ist aber der größte zusammenhängende Waldgürtel der Erde.

 

Evolution

Als das Leben die Kontinente der Erde eroberte, war es (im vollen Sinne des Wortes) lebenswichtig, eine ausreichende Wasserversorgung unabhängig von der Meeresnähe zu haben. Frühe ökologische Gemeinschaften mußten die Fähigkeit entwickeln, Wasser aus der Ferne anzuziehen. Das Leben auf dem Land benötigte „einen aktiven Mechanismus, … Feuchtigkeit ins Landesinnere zu transportieren, wobei die Menge von den Bedürfnissen der ökologischen Gemeinschaft diktiert wurden. Solch ein Mechanismus entwickelte sich auf dem Land im Zuge der biologischen Evolution, und er nahm die Gestalt des Waldes an – einem zusammenhängenden Bestand großer Pflanzen (Bäumen), die in enger Interaktion mit allen anderen Organismen der ökologischen Gemeinschaft stehen. Wälder sind verantwortlich sowohl für die anfängliche Akkumulation von Wasser auf den Kontinenten in der geologischen Vergangenheit als auch für die stabile Erhaltung der kontinentalen Wasservorräte in den nachfolgenden Zeitaltern, in denen das Leben auf dem Land existiert hat.“

 

Entwaldung

Das Ersetzen des Urwaldes durch Vegetation mit niedrigem Blattflächenindex (z.B. Sojafelder oder Viehweiden) „führt zu einer bis zu zehnfachen Verminderung der durchschnittlichen Niederschlagsmenge auf dem Festland“ – wenn der Urwald verschwindet, wird auch der Großteil des Regens ausbleiben.

„Die biotische Feuchtigkeitspumpe wie auch … die effiziente Erhaltung der Bodenfeuchtigkeit funktioniert ausschließlich mit ungestörten natürlichen Waldformen. … Die Vegetation von Grasland, Buschwald, Steppe, Savanne, Prärie, künstlich ausgedünntem und ausgebeutetem Wald, Plantagen, Weiden oder Äckern kann die biotische Feuchtigkeitspumpe weder in Gang bringen noch den Gehalt an Bodenfeuchtigkeit auf einem für das Leben optimalen Niveau halten. Der Wasserkreislauf solcher Gebiete befindet sich in einer kritischen Abhängigkeit von der Entfernung zum Meer; er wird durch zufällige Fluktuationen und jahreszeitliche Regenfälle, die vom Meer kommen, bestimmt. Solche Regionen sind anfällig für Dürren, Überschwemmungen und Buschbrände.“ Und auch für Desertifikation (VerwüstungWüstenbildung).*

Noch nicht einmal „sekundäre Urwälder – die sich im Prozess der Selbstheilung nach menschlichen und natürlichen Störungen wie Bränden, Fällungen oder Sturmschäden befinden – sind … in der Lage, effektiv als biotische Pumpe zu dienen. In solchen Wäldern sind alle Mechanismen zur Regulierung der Umwelt, inklusive der biotischen Feuchtigkeitspumpe, in Reparatur befindlich und nur eingeschränkt wirksam.

„Nur primärer Urwald ist fähig, die langfristige Stabilität der biotischen Feuchtigkeitspumpe zu gewährleisten, denn die genetischen Eigenschaften einheimischer, ursprünglicher Wälder korrelieren mit den geophysikalischen Eigenschaften der Regionen, die sie bewohnen. Künstlich angelegte, exotische Vegetation mit geographisch irrelevanten genetischen Programmen kann sich langfristig nicht halten auf fremdem Boden. Ihrem zeitweiligen Gedeihen folgt die Degeneration der Landschaft und schließlich ökologischer Zusammenbruch.“

Einheimische Wälder sind fein abgestimmte Instrumente, die die Wasserversorgung ihrer Region bewirken und erhalten. So wissen wir seit kurzem, dass Bäume sogar die Geschwindikeit der Wolkenbildung erhöhen können, indem sie bei der Evapotranspiration variierende Mengen gewisser Chemikalien ausscheiden, die als Kondensationskerne zur Wolkenbildung fungieren (z.B. Kalisalze, Terpene oder Isopren). [4]

* Ökosysteme mit dünner Vegetationsdecke wie die afrikanische Savanne sind „aufs engste mit den menschlichen Aktivitäten der letzten Jahrtausende verknüpft. … Savannen stellen ein Sukzessionsstadium (ökolog. Begriff für ein Übergangsstadium) von Ökosystemen dar, die sich wieder zu ungestörtem Wald entwickeln. Dieser Übergang ergibt sich von allein, sobald die menschliche Einmischung durch Brandrodung und Überweidung ausbleibt.“ Die anhaltende Existenz der Savannen ist einzig bedingt durch die kontinuierliche Störung durch den Menschen. „So verhindert der zunehmende anthropogene Druck nicht nur die periodische Rückkehr der Savannen zum Waldstadium, sondern er wandelt die Savannen graduell zu Wüste. Dasselbe gilt für die Steppen und Prärien der gemäßigten Zone.“
 

Der wichtige Küstengürtel

„Für die biotische Feuchtigkeitspumpe ist es außerdem unabdingbar, dass der einheimische Waldbestand ans Meer grenzt.“ Das Mississippi-Becken zum Beispiel ist von der Atlantik-Mündung landeinwärts bewaldet, und ein jährlicher Niederschlag von ca. 1.000 mm ereignet sich noch etwa 1.750 km flussaufwärts. Aber dann verschwindet der Wald, und der Niederschlag geht schnell auf 200 mm zurück. Im Amazonas-Becken dagegen bleibt die Regenmenge von etwa 2.400 mm/a konstant, und liegt mit 4.000 mm an den Andenhängen sogar noch höher als in Meeresnähe. [2]

„Wenn der natürliche, einheimische Wald entlang der Küstenlinie auf einer Breite von 600 km zerstört wird, kommt die biotische Feuchtigkeitspumpe zum Stillstand. Die verbleibenden Wälder im Landesinneren sind nicht mehr in der Lage, ozeanische Luftfeuchtigkeit anzuziehen.“ Ihr Wasserüberschuss wird alsbald über die Flüsse oder die Winde davongetragen. Die große Fruchtbarkeit der Flussbecken findet ein Ende, die Wälder sterben ab, nachdem die Böden austrocknen.“ Der Großteil des Frischwasservorrats der Landmasse, „inklusive des Wassers im Boden, Mooren, Berggletschern und Seen“ wird verschwinden. „Das bedeutet, dass alles Wasser, das sich auf dem Land angesammelt hat, innerhalb von etwa vier Jahren zum Meer abfließt.“

Vollständige Entwaldung verwandelt in wenigen Jahren jeden Flusslauf in eine Wüste. So beobachtet man in der Frühgeschichte Australiens, dass das Verschwinden der ausgedehnten Wälder entlang der Flussläufe mit der Ankunft und Ausbreitung früher Menschen zusammenfällt (vor etwa 50.000 bis 100.000 Jahren). „Es gibt eine große Menge indirekter Belege dafür, dass der Mensch für die Entwaldung des australischen Kontinents verantwortlich war. Es ist klar, wie das geschehen konnte.“

„Um den Kontinent zu entwalden, bedurfte es lediglich der Beseitigung des relativ schmalen Waldgürtels entlang der Küsten. Das ergibt sich leicht durch frühmenschliche Besiedelung mit ihrer Haushaltsaktivität und durch den Menschen verursachten Bränden. So wurden die innerkontinentalen Wälder, trotz ihrer Unberührtheit, vom Meer abgeschnitten und die biotische Feuchtigkeitspumpe kam zum Erliegen … Die Wälder im Inneren des Landes starben von allein, auch ohne intensive menschliche Aktivitäten.“

Die moderne Art der Waldausbeutung, die verantwortlich ist für die beispiellose Vehemenz weltweiter Entwaldung, stammt aus Westeuropa. Die mittelalterliche totale Entwaldung weiter Gebiete Europas führte jedoch nicht zu bleibender Verwüstung. Warum? Weil es in Europa „keine Gebiete gibt, die mehr als 600 km von der Küste entfernt liegen.“ Immer fand der Regen seinen (relativ kurzen) Weg ins Landesinnere und konnte die Landschaft grün erhalten. Heutzutage ist Europa der einzige Kontinent, auf dem Entwaldung kein flächendeckendes Problem ist (im Gegenteil nimmt die Waldfläche Europas gegenwärtig sogar zu). Aber tragischerweise führte die einzigartige geophysikalische Situation Europas „zu der Illusion, dass die Methode des Kahlschlags gedankenlos in die anderen Teile der Welt exportiert werden könne – trotz der sich häufenden Anzeichen über die katastrophalen Konsequenzen, die das auf den riesigen Kontinenten hat.“

Doch auch Europa zahlt seinen Preis. Die Beseitigung unzähliger Alpenwälder (für Skipisten usw.) führte zu einem Rückgang der Niederschläge in Hochlagen und das wiederum „führte zu einem Rückgang der Berggletscher, auch wenn dieses Phänomen fast nur im Zusammenhang mit globaler Erwärmung und CO2-Anstieg diskutiert wird, während die Wirkung der biotischen Pumpe ignoriert wird.“ Mit anderen Worten, Gletscher benötigen zwei Dinge: niedrige Temperaturen und Wasser; alle Welt redet von Erwärmung, aber niemand untersucht die Gründe für die gestörten Wasserhaushalte.
 

Fazit

Die Vernichtung der Walddecke in den großen Flussbecken der Welt „würde folgende Konsequenzen haben: einen Rückgang der Wassermengen, die von den Flüssen befördert werden, auf ein Zehntel oder mehr, das Auftreten von Dürren, Überschwemmungen und Bränden, partielle Desertifikation der Küstengebiete und vollständige Desertifikation des Inneren der Kontinente. … die damit verbundenen wirtschaftlichen Verluste würden die Gewinne durch Waldeinschlag bei weitem übersteigen, ganz zu schweigen davon, dass solch ein Szenario das Leben für Millionen Menschen unmöglich machen würde.“

Eine mögliche Strategie, um eine lebensfördernde Wasserversorgung in den meisten Regionen der Erde wiederherzustellen, muss unbedingt die modernen Waldgesetze überall in der Welt überdenken.

Es ist nötig,…

• „jegliche Unternehmung, die bestehenden Reste der natürlichen Wälder zu zerstören, sofort zu unterbinden; insbesondere die Bestände in den Küstengürteln“,

• eine weltweite Organisation aufzubauen, die „dafür sorgt, dass einheimische Wald-Ökosysteme, die an Regionen mit verbliebenem Urwald grenzen, sich graduell und auf natürliche Weise wieder erholen können. Nur ausgedehnte, ununterbrochene Waldgebiete sind in der Lage, einen stabilen Wasserkreislauf zu unterhalten.“

Makarieva und Gorshkov schließen ihren Beitrag mit der Bemerkung, dass „die Auswertung der Belege zeigt, dass die langfristige Stabilität eines intensiven Wasserkreislaufs an Land unerreichbar ist ohne die Wiederherstellung natürlicher, sich selbst erhaltender Wälder in kontinentalem Maßstab.“
 

Reaktionen – Wie langsam lernen wir?

Makarieva und Gorshkov stellen die konventionelle Sichtweise der Klimatologen und Meteorologen in Frage – und stießen dementsprechend auf eine Mauer aus Ignoranz und Schweigen. Die erste Reaktion aus einem der Tempel der globalen Klimatologie (die Faculty of Earth and Life Sciences in Amsterdam) auf dieses äußerst dringliche Thema ließ nicht weniger als drei Jahre auf sich warten. Der Ton dieses Artikels ist skeptisch, aber in der Konklusion Schlussfolgerung/Zusammenfassung am Ende schreiben die Autoren dann doch:

„Wir stimmen mit M&G [Makarieva und Gorshkov] darin überein, dass die Rolle der Vegetation – und insbesondere des Waldes – bei der Erzeugung von Regen immer noch kaum verstanden wird. Auch darin, dass mit den Veränderungen der Bodenbedeckung, wie sie durch Entwaldung weiterhin zunehmen, solche Fragen vermehrt an Bedeutung gewinnen. M&G verdienen Anerkennung für ihren beherzten Ansatz, mehr Licht auf die Interaktion von Wald und Niederschlag zu werfen.“ [5]

Dennoch veränderte sich nichts in der Art, wie Klimamodelle berechnet werden; die volle Macht der Blätter wird weiterhin ignoriert.

Ein wichtiger Schritt, diesen Erkenntnissen den Weg in das allgemeine Bewusstsein zu ebnen, geschah im März 2010 in Form eines Artikels von Peter Bunyard, dem wissenschaftlichen Herausgeber von The Ecologist und von Science in Society. In „The Real Importance of the Amazon Rain Forest“ („Die wahre Bedeutung des Amazonas-Regenwaldes“) [2] sagt Bunyard: „Die Konsequenzen aus der These von Makarieva und Gorshkov sind gewaltig; im Wesentlichen bedeuten sie, dass Südamerika ohne seine Wälder nicht überleben kann.

Ein „Amazonas-Waldsterben-Szenario“ wurde tatsächlich schon einmal simuliert, und zwar 2000 in einem aufwendigem Programm an der Exeter University in England. Die eingespeisten Daten ergaben ein Sterben des Amazonas-Regenwaldes im Jahre 2050, aufgrund wärmeren Klimas und Wassermangels. Aber nach der schrecklichen Amazonasdürre 2010 begannen Wissenschaftler zu fragen, ob sich das große Sterben womöglich nicht schon 20 Jahre früher ereignen könnte. Die Simulation wurde jedoch ausgeführt, bevor Makarieva und Gorshkov publizierten. Sie enthält daher keine angemessene Darstellung der biotischen Wirkung von Wäldern auf das Klima, sondern nur von der Wirkung von Klima auf Wälder. Die Sichtweise von Wäldern als passiven Opfern und nicht auch als aktiven Playern bleibt einstweilen weiterhin Standard in der Klimatologie.

Der erste Hoffnungsstrahl, dass die Kraft des Waldes eines Tages doch noch in der Mainstream-Wissenschaft Berücksichtigung finden könnte (und in der Folge in politischen ökologischen Entscheidungen), kam am 16. Januar 2012, als der Guardian einen Artikel veröffentlichte mit dem Titel „Include trees in climate modelling, say scientists“ („Wissenschaftler fordern, Bäume in die Klimamodelle zu integrieren“) [6]. Er beginnt mit dem Satz:

„Die gegenwärtigen Klimamodelle und -projektionen könnten inakkurat sein, weil die Messungen auf Richtlinien basieren, die die Wirkung von Bäumen auf regionales Klima nicht einbeziehen, sagen Agroforstexperten.“ (Man beachte, dass sich hier weiterhin keine Klimatologen zu Wort melden, sondern das World Agroforestry Centre (ICRAF).)

„Das wiederum könnte die effektive Umsetzung [von Einsichten und Warnungen aus der Klimaforschung] in landwirtschaftlichen Gemeinden vereiteln, da die wahren Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Anbauflächen nicht akkurat dargestellt werden.“

„Bäume können viele der Klimafaktoren verändern, die in den Modellen vorhergesagt werden, und diese Wirkungen sollten in die Klimakarten einbezogen werden…“

Der Artikel basiert auf einem Buch, das im Dezember 2011 vom ICRAF veröffentlicht wurde: How trees and people can co-adapt to climate change (Wie Bäume und Menschen sich gemeinsam an den Klimawandel anpassen können). Einer der Herausgeber, Meine Van Noordwijk, sagt: „Nach den Richtlinien der World Meteorological Organization (WMO) sammeln die Wetterstationen weltweit Klimadaten in offenem Gelände – weit weg von Bäumen“. Die WMO-Richtlinien „vermeiden die Wirkung von Baumbestand auf die Wettermessungen“ absichtlich. Sie tun so, als ob dies ein Planet ohne Bäume wäre. – Warum?!?

Noordwijk fügt hinzu: „Unglücklicherweise … haben die Klimawissenschaftler bisher nicht viel unternommen, um [die Wirkungen von Bäumen] zu quantifizieren. Indem wir das ausblenden, versäumen wir eine riesige Chance zu verstehen, wie wir uns anpassen können.“
 

Kommentar

Während Klimatologen damit fortfahren, die weltweite Bedeutung der Wälder zu ignorieren, häufen sich katastrophale Nachrichten, die den Warnungen von M&G Recht zu geben scheinen:

The deforestation frontier in the Brazilian Amazon (WWF)
Die Entwaldungslinie im brasilianischen Amazonasgebiet (WWF)

• Die Entwaldung des östlichen Amazonasgebietes (siehe Karte) kommt inzwischen gefährlich nahe an die 600-km-Grenze, die die biotische Feuchtigkeitspumpe benötigt, um Wasser landeinwärts zu bringen. Sobald der Küstengürtel zerstört ist, kann das ganze System kippen. Inzwischen zeigen sich erste Anzeichen einer drohenden Desertifikation Südamerikas: 2005 und 2010 ereigneten sich zwei „Jahrhundert-Dürren“ – im Abstand von nur fünf Jahren. [7]

• In Sibirien wie den USA kam es in den Sommern 2010, 2011 und 2012 zu riesigen Waldbränden beispiellosen Ausmaßes. Sie deuten auf eine fortschreitende Austrocknung der Landschaft in der Folge großflächiger Zerstörung einheimischer Urwälder. (siehe Welt-Baum-Nachrichten: Waldbrände und ihre Ursachen)

Klimatologen und Meteorologen richten sich nach den unangezweifelten Theorien der Thermodynamik; doch dabei scheinen sie Physiker der alten Schule zu sein, die sich dem Studium der (toten) Materie widmen und ausschließlich in rein physikalischen Begriffen denken: Temperatur, Luftdruck, Feuchtigkeitsanteil, Atomgewicht usw., das sind die Faktoren, auf die es ankommt, nicht lebendige Dinge wie die Vegetationsdecke. Die Erkenntnis des Wechselspiels zwischen Biologie, Chemie und Geologie scheint zu jung und unbewiesen zu sein; Kybernetik und das Studium von Feedbacksystemen sowie die Erdsystemwissenschaft sind kaum älter als drei Jahrzehnte.

Wie wenig die Wissenschaft tatsächlich über Bäume und Wälder weiß, sieht man z.B. in zwei Artikeln von Justin Gillis, die in der New York Times erschienen sind [7] [8]. So weiß man kaum etwas darüber, wie ein Baum überhaupt stirbt (!). Die meisten Studien über Bäume sind darauf fixiert, wie Bäume wachsen, insbesondere, wie man sie dazu kriegt, schneller und größer zu wachsen. Aber wenig ist darüber bekannt, ob ein Baum in einer Dürre oder anderen Stress-Situation eigentlich verhungert (weil er die Blattporen schließt, um Wasserverlust zu vermeiden, aber dadurch schließlich an Kohlenstoffmangel zugrundegeht) oder verdurstet (weil durch das dürrebedingte hydraulische Versagen die feinen Kanäle des Wassertransportsystems bleibend geschädigt wurden). Und welche Zersetzungsprozesse laufen eigentlich ab in einem Regenwald, der durch eine Dürre gestorben ist? Wie viele Jahre dauert es, bis welche Mengen von Kohlenstoff (die das Klima beeinflussen) durch Fäulnis freigesetzt werden? Oder würde das Gebiet brennen (Holzkohle bindet einen Teil des Kohlenstoffs an den Boden)? Wie könnten die Klimamodelle ohne Antworten auf diese Fragen überhaupt verläßliche Daten über die Wälder der Erde integrieren? Der Wälder, die gegenwärtig immer noch ca. eine Millarde Tonnen Kohlenstoff pro Jahr absorbieren – ein Zehntel dessen, was die Menschheit freisetzt.

Die Kraft der Photosynthese verwertet für die Verdunstung von Wasser allein im Amazonasgebiet eine Menge an Sonnenenergie, die fünfzehn Atombomben pro Sekunde entspricht. Dies wird jedoch in den Klimamodellen nicht berücksichtigt, die uns über „Klimawandel“ und „globale Erwärmung“ erzählen. Wie also können wir als die Öffentlichkeit diesen Modellen Glauben schenken? Warum sollten wir?

Viel dringender als die Erstellung immer neuer Statistiken ist es, das zu retten und zu bewahren, was von der wirklichen Welt noch übrig ist – die Wälder und anderen Ökotope, die seit Millionen von Jahren das tun, was sie besser können als wir: den Planeten in Balance halten.

„Baum und Mensch stehen oder fallen gemeinsam.“
(
Fred Hageneder, 1999)
 

Was jede/r tun kann

• Beim Surfen im Internet eine Suchmaschine verwenden, die sich explizit für Baumschutz und Klimaschutz einsetzt, z.B. ecosia.

• Regelmäßig die News von Rettet den Regenwald e.V. checken. Dort mitmachen, mittels Petitionen an Entscheidungsträger Druck auszuüben. Geld spenden, wer kann.

• Um auch die indigenen Völker, die in bedrohten Ökosystemen leben, zu schützen, Survival International unterstützen.

• Diese Informationen verbreiten helfen: Links auf diese Seite versenden oder diesen Artikel als PDF downloaden:

 

Quellen
[1] A.M. Makarieva & V.G. Gorshkov, ‚Biotic pump of atmospheric moisture as driver of the hydrological cycle on land‘, Hydrology and Earth System Sciences, 3, 2621-2673, 2006
[2] Peter Bunyard, ‚The Real Importance of the Amazon Rain Forest‘, ISIS Report, 15/03/2010
[3] Africa, Part 3: Congo, BBC 2013, narrated by D. Attenborough
[4] DOE/Lawrence Berkeley National Laboratory, ‚Salt Seeds Clouds in the Amazon Rainforest: Researchers Track Down the Sources of Condensation Nuclei‘, Science Daily
[5] A.G.C.A. Meesters, A.J. Dolman, & L.A. Bruijnzeel, ‚Comment on „Biotic pump of atmospheric moisture as driver of the hydrological cycle on land“ by A.M. Makarieva und V.G. Gorshkov‘, Hydrology and Earth System Sciences, 13, 1299-1305, 2009
[6] Dyna Rochmyaningsih, ‚Include trees in climate modelling, say scientists: Climate models should include the effects of trees on the local climate, say agroforestry experts‘, The Guardian Environment Network, 16. Jan 2012
[7] Justin Gillis, ‚The Amazon Dieback Scenario‘, New York Times, 7. Oct 2011
[8] Justin Gillis, ‚Learning How to Kill Trees‘, New York Times, 12. Dec 2011

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