Überschwemmt von Ignoranz
Feb 2014
Länder wie Großbritannien und Deutschland leiden zunehmend unter schweren regionalen Überschwemmungen. Aufgrund der Klimaveränderung beobachten wir zweifellos höhere Niederschlagsmengen und sintflutartige Regenfälle als je zuvor. Aber die wahren Schuldigen sind Wassermissmanagement, Entwaldung und ein gravierender Mangel an Bodenschutz.
“Unter Bäumen versickert Wasser 67 Mal besser im Boden als unter Wiesenbewuchs.” [1] Das liegt daran, dass die Baumwurzeln einen “Kanal” darstellen, entlang dessen das Wasser den Boden durchdringen kann. Das Erdreich wird so zu einem Schwamm, einem Reservoir, das Wasser schnell aufnehmen und langsam wieder abgeben kann.
Im Gegensatz dazu wird der Boden von Feldern und Weiden komprimiert, entweder durch das Gewicht schwerer Maschinen oder durch die kleinen, punktuellen Huftritte der Weidetiere, die den Boden feststampfen und fast undurchdringlich machen. Er wird zu einer festen Platte, die den Regen abweist. Gegenüber natürlichen Wiesen wird die Abfließmenge von Oberflächenwasser so von 2% auf 60% erhöht. [2]
Schlimmer noch, in vielen “entwickelten” Ländern befindet sich der Maisanbau auf starkem Vormarsch – in Großbritannien z.B. hat er von 1.400 Hektar 1970 auf 160.000 Hektar 2014 zugenommen. Egal, ob er Zuchttiere füttern soll oder die Biokraftstoffindustrie (“Energie-Mais”), das Problem ist, dass Mais so angebaut wird, dass nach der Ernte, also zur Hauptregenzeit im Winter, die Felder kahl und ungeschützt bleiben. Bodenerosion auf Maisanbauflächen ist signifikant höher als bei anderen Pflanzen.
Auf drei Vierteln der Maisfelder im Südwesten Großbritanniens ist die Bodenstruktur so stark zersetzt, dass sie zu Überschwemmungen beitragen. Auf vielen dieser Felder schwappen Erde, Düngemittel und Pestizide mit dem Wasser weg. [3] In den Wasserstraßen und Flüssen wird der erodierte Boden zu Schlamm, der das Flussbett verstopft. Die noch nie dagewesenen Wassermengen gewinnen in flachen Flüssen eine noch nie dagewesene Geschwindigkeit… und dringen mit noch nie dagewesener Wucht in Gemeinden und Häuser ein.
Die britische Labour-Regierung sah es kommen und veröffentlichte 2005 einen Bericht über die verheerenden Auswirkungen des Maisanbaus. Der Bericht weist auf den Verlust der Fruchtbarkeit des Bodens und die Vergiftung von Wasserläufen hin, warnt, dass „erhöhter Abfluss und Sedimentablagerungen auch die Hochwassergefahr in Flüssen erhöhen können“, und drängt darauf, „den Anbau von Futtermais in Gebieten mit hohem und sehr hohem Erosionsrisiko zu vermeiden“.
Die Labour-Partei hat diese Erkenntnisse aufgegriffen und Bedingungen für die Gewährung von Agrarsubventionen festgelegt. Unter den Mais sollten Bodendecker gesät werden, und das Land sollte gepflügt und innerhalb von 10 Tagen nach der Ernte wieder mit Winterdeckerpflanzen eingesät werden, um das Abfließen von Wasser zu verhindern. [3]
Die konservative Regierung änderte jedoch die Bedingungen. Sie erließ eine spezielle Ausnahme für den Maisanbau von allen Bodenschutzmaßnahmen (!). Ja, die Kulturpflanze, die die meisten Überschwemmungen und die meisten Bodenschäden verursacht, ist die einzige, die völlig unreguliert ist. Darüber hinaus wurden alle gesetzlichen Verpflichtungen zur Verhinderung von Erosion auf landwirtschaftlichen Flächen zu einer „Beratungsfunktion“ herabgestuft [4]. Die öffentlichen Gelder werden nach wie vor ausgezahlt, selbst an Landwirte, die nichts zum Schutz ihrer Böden tun.
Und das Geld des Steuerzahlers geht an reiche Landbesitzer. Die Öffentlichkeit erhält sogar eine Gegenleistung, wie George Monbiot in seinem Artikel im Guardian feststellt: Wir zahlen 3,6 Milliarden Pfund pro Jahr für das Privileg, dass unsere Wildtiere ausgerottet, unsere Hügel kahl geweidet, unsere Flüsse verschmutzt und unsere Wohnzimmer überschwemmt werden. [3]
Bäume sind es also, oder sollten es sein. Seit Jahrzehnten finanziert die britische Regierung Wissenschaftler […], um anderen Ländern zu raten, die Wälder zu schützen oder Bäume in den Hügeln zu pflanzen, um zu verhindern, dass Gemeinden flussabwärts weggeschwemmt werden. Aber wir haben vergessen, die Lektion nach Hause zu bringen. [2] In Wales zum Beispiel wurden jetzt alle Zuschüsse für Baumpflanzungen gestoppt. Die neue unumstößliche Regel für Landwirte besagt, dass das Land frei sein muss von dem, was die Agrarpolitik „unerwünschte Vegetation“ nennt, um die Betriebsprämie zu erhalten (die bei weitem den größten Teil der Agrarsubventionen ausmacht). Mit anderen Worten: Mit Bäumen bewachsenes Land ist nicht förderfähig. Die Subventionsregeln haben die massenhafte Rodung der Vegetation auf den Hügeln erzwungen. Bäume und Gestrüpp, die den Regen, der auf die Hügel fällt, absorbieren würden…
Und auch von der Europäischen Gemeinschaft gibt es keine Hilfe. Stattdessen folgte Brüssel bald der britischen Dummheit und fördert Kahlschlag und Landwirtschaft in den oberen Bereichen der Wassereinzugsgebiete. Im Juni 2013 wurden die Sonderzahlungen für Berggebiete von 250 € (208 £) pro Hektar auf 450 € (374 £) erhöht. [5] Zu den Hauptbegünstigten gehören reiche Landbesitzer wie die britische Königsfamilie und europäische Aristokraten mit großen geerbten Ländereien (BBC News [6]). Die Öffentlichkeit bekommt ihren Anteil, die „Überschwemmungssubvention“, wie Monbiot zusammenfasst, „zahlt für die Zerstörung von Häusern, die Evakuierung ganzer Siedlungen, das Ertrinken von Menschen, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen, überall in Europa. [3]
Nachtrag 2024:
Betreffs der EU-Fördermittel für die Landwirtschaft enthüllte der Guardian im November 2024, dass 3 Mrd Euro an öffentlichen Agrarsubventionen letztendlich in die Taschen von nur 17 Milliardären flossen (im Zeitraum 2018–2021). Während tausende von kleineren Höfen pleite gingen… [7]
Quellen
1 Marshall, MR et al., 2013. The impact of rural land management changes on soil hydraulic properties and runoff processes: results from experimental plots in upland UK. Hydrological Processes, vol 28, issue 4, 2617–2629, 15 February 2014, doi: 10.1002/hyp.9826, quoted in Monbiot 2014a [2].
2 Monbiot, George, 2014a. Drowning in money: the untold story of the crazy public spending that makes flooding inevitable. The Guardian online, 13 January 2014.
3 Monbiot, George, 2014b. How we ended up paying farmers to flood our homes. The Guardian, 18 February 2014.
4 Farming Regulation Task Force, May 2011. Striking a balance: reducing burdens; increasing responsibility; earning recognition. Summary of Recommendations. Chapter 7, GAEC 1, 7.47.
5 European Commission Press Release, 26 June 2013. CAP Reform – an explanation of the main elements.
6 Q&A: Reform of EU farm policy. BBC News, 1 July 2013.
7 Niranjan, Ajit: „Revealed: billionaires are ‘ultimate beneficiaries’ linked to €3bn of EU farming subsidies„. The Guardian , 3 Nov 2024