Indien gewinnt Rechte gegen multinationale Bio-Piraterie
März 2005
Der Niembaum (Azadirachta indica) ist ein weitverbreiteter und beliebter Baum in Südasien, insbesondere Indien, Sri Lanka und Burma. Seine vielen medizinischen Eigenschaften sind seit Jahrtausenden bekannt. Dennoch versuchen multinationale Chemieunternehmen seit 1985, den Handel mit Niemprodukten über Patentrechte in ihre Gewalt zu bringen. Die indische Naturschützerin Vandana Shiva hatte den Mut, sich gegen die Bio-Piraterie der Giganten zu stellen. [1]
Aufgrund seines ungewöhnlich breiten Spektrums medizinischer Verwendungsmöglichkeiten wird der Niembaum bereits in alten Sanskrit-Schriften erwähnt und gilt heute als „Indiens Baum des Lebens“; oder, etwas pragmatischer, als die „Dorf-Apotheke“ Südasiens. So sind z.B. Niemzweige in ganz Indien als natürlich antiseptische Zahnbürsten bekannt. Niembäume spenden außerdem Schatten und verhüten Bodenerosion, und aus den Samen lassen sich biologische Pestizide und Fungizide herstellen. Alles in allem ist der Baum derart lebenswichtig, dass er in hinduistischen Dörfern in Indien als heilig gilt.
Außerhalb dieser Dörfer wurde erkannt, dass der Niem „einen globalen Einfluss auf einige der größten Probleme der Welt haben kann, darunter Malaria, Denguefieber, Aids sowie die Überbevölkerung“. [2] Das Interesse der pharmazeutischen und agro-chemischen Industrie ist längst erwacht. In China und Brasilien werden jährlich Millionen neuer Niemsetzlinge gezogen.
Bereits 1995 gewährte das in München befindliche European Patent Office (EPO) [warum die?!] dem US Department of Agriculture und dem Chemiegiganten WR Grace ein Patent für eine Methode zur Fungizid-Erzeugung aus Niem-Öl. Aber eine internationale Gruppe, geleitet von Dr. Vandana Shiva, kämpfte gegen diese Art des Raubes von uraltem indigenen Wissen und brachte den Fall schließlich wieder zurück ins European Patent Office. „Wir wollten aufzeigen, was Bio-Piraterie ist, dieses Patentieren von indigenem Wissen und der Artenvielfalt“, sagt sie. [1] Das Patent wurde entzogen, sechs Jahre nach seiner Ausstellung. Aber die juristische Auseinandersetzung ging weiter, insgesamt währte sie zehn Jahre. Die Europäische Grüne Partei und die Internationale Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen (IFOAM) begannen ebenfalls, das Patent zu missbilligen. Der endgültige Sieg wird nun von vielen Gruppen als ein Meilenstein angesehen im Kampf dagegen, wie globale Firmen Pflanzen und Gene auf Kosten der armen Bevölkerung in den Entwicklungsländern ausbeuten. [1]
Der nächste Schritt der indischen Regierung, der anhaltenden Bedrohung durch Bio-Piraterie zu begegnen, war die Einrichtung der Traditional Knowledge Digital Library in Delhi. Hier werden Millionen althergebrachter ayurvedischer Rezepte in moderne medizinische Sprache übertragen und in einer digitalen Bibliothek gesammelt. Diese Datenbank soll in verschiedenen Sprachen zugänglich gemacht werden, so dass Patentämter in aller Welt prüfen können, ob ein Patentantrag wirklich eine neue Methode darstellt oder lediglich altes Wissen kopiert. [2]
Video-Tip: Vandana Shiva on Geo-engineering, TV debate
Video-Tip: Vandana Shiva: ‘The Future of Food and Seed – Justice, Sustainability and Peace in the 21st Century’, speech at the Organicology Conference in Portland, Oregon, Feb 28, 2009
Quellen:
[1] India wins landmark patent battle, BBC News, 9 March 2005
[2] Anna Horsbrugh Porter, Neem: India’s tree of life, BBC News, 17 April 2006